Am 3. Juni traf eine zehnköpfige Gruppe Studierender der Johns Hopkins University (JHU) in NRW ein, um gemeinsam mit Partnern und Partnerinnen vor Ort die Geschichte des Sports im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands sowie aktuelle Herausforderungen im internationalen Sport zu diskutieren. Die UEFA-Europameisterschaft der Männer sowie die Olympischen Sommerspiele in Paris standen unmittelbar bevor, was der Thematik besondere Aktualität und Relevanz verlieh. Im andauernden NRW-USA-Jahr bot es sich zudem an, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Sportgeschichte und -organisation herauszuarbeiten. Baltimore, die Heimatstadt der Johns Hopkins University, befindet sich am südlichen Zipfel des amerikanischen „Rust Belts,“ wo ähnlich wie im Ruhrgebiet die Spitzenteams zu Quellen des lokalen Stolzes wurden, nachdem die Kohle- und Stahlindustrien weggebrochen waren.
Bei ihrer Ankunft begrüßte Professor Jürgen Mittag, Direktor des Instituts für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung, die Gruppe an der Deutschen Sporthochschule Köln. Zunächst erläuterte er die Unterschiede in Organisation und Infrastruktur zwischen den USA und Europa, besonders Deutschland, wo der Breiten- und Vereinssport auf der Arbeit von Freiwilligen aufbaut. Der Rückgang dieses sozialen Engagements in den letzten Jahren habe sogar im Fußball, dem Nationalsport und weltweit größten Sportverband, eine Krise ausgelöst, erklärte Professor Mittag. Nach einem gemeinsamen Grillabend mit Studierenden im Master International Sport Development and Politics besprachen sie, nur zwei Tage nach den Wahlen zum europäischen Parlament, aktuelle politische und gesellschaftliche Herausforderungen in der EU, Krisen im internationalen Fußball sowie die anstehende UEFA-Europameisterschaft der Männer.
Eine Woche später trafen sich die Studierenden der Johns Hopkins und der SphoHo erneut: Michael Mronz, ehemaliger CEO von Rhein Ruhr City und seit vergangenem Jahr Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Einer der wohl einflussreichsten Unternehmer und Eventmanager im deutschen Sport stand für anderthalb Stunden zur Verfügung. Er antwortete offen und nuanciert auf Fragen zu seiner eigenen Biografie, dem Nexus Sport und Politik, Herausforderungen und Krisen im deutschen wie internationalen Sport, Doping, dem Ausschluss Russlands von und der Rolle Chinas in der olympischen Bewegung.
Nach einem Besuch des Deutschen Sport- und Olympiamuseum, eingeleitet durch einen Vortrag zu dessen Geschichte und Mission von Direktor Dr. Andreas Höfer, stand ein absolutes Highlight auf dem Programm: ein Treffen mit Maya Weber, Emma Lattus, and Olesja Arslan, Spielerinnen der U20 Mannschaft des 1. FC Köln. Zwei Stunden lang beantworteten die aufstrebenden Stars Fragen der Gäste aus den USA, von den viele die Bundesliga verfolgen. Alle hatten zuvor viel zum Sommermärchen von 2006 und der Geschichte des deutschen Fußballs gelesen sowie Sönke Wortmanns Film Das Wunder von Bern und den preisgekrönten Dokumentarfilm Schwarze Adler der Kölner Produktionsfirma Broadview TV gesehen hatten. Im Vordergund standen so die individuellen Biografien, Unterschiede in der Unterstützung des Frauen- und Männerfußballs, Erfahrungen mit Rassismus sowie Ziele und Karriereträume.
Eingefädelt hatte diesen aufschlussreichen Austausch Shary Reeves. Die gebürtige Kölnerin und ehemalige Profispielerin, die in neben Steffi Jones als eine von zwei deutschen Frauen in Schwarze Adler auftritt, traf die Johns Hopkins Studierenden erneut am darauffolgenden Tag, um ihre eigenen Erfahrungen, generationelle Unterschiede und Entwicklungen der letzten dreißig Jahre zu besprechen.
Ihren einzigen freien Nachmittag nutze die Gruppe, um die Landeshauptstadt Düsseldorf zu besuchen, bevor es weiter nach Essen ging. Dort nahmen die Studierenden an der Konferenz „Scripting Futures for Urban Sustainability,“ geleitet von Professor Dr. Barbara Buchenau, teil. Mit Freude registrierten die Studierenden die häufige Bekennung zu Lokalpatriotismus und rivalisierenden Fußballclubs des Ruhrgebiets. Simone Raskob, Vertreterin der Stadt Essen, referierte zu den Vorbereitungen zu den FISU World Games, welche das Rhein-Ruhrgebiet – und somit auch Essen – im kommenden Sommer ausrichten wird.
Einen kompletten Tag verbrachte die Gruppe auf dem Gelände des UNESCO Weltkulturerbe Zeche Zollverein. Auf einer exklusiven Führung verfolgten sie den Weg der Kohle, vom Miniaturmodell des Geländes aufs Dach der Zeche bis zur Kokerei. Anschließend verbrachten sie mehrere Stunden im Ruhrmuseum, welches die Geschichte der Region allgemeinverständlich näherbringt und spannende Akzente zu Themen Umwelt, Gewerkschaften, Einwanderung und Sport bietet.
Obwohl der Signal Iduna Park – wie bereits das Kölner RheinEnergie Stadion– weiträumig abgesperrt war, ließen die Studierenden es sich nicht nehmen, dem Westfalenstadion, Heimat des auch in den USA beliebten BVB Dortmunds, einen Besuch abzustatten. Eine informations- und witzreiche Führung durch das visuell stimulierende Deutsche Fußballmuseum, wo die Schatzkammer mit Trophäen, ein 3D-animiertes Treffen ehemaliger und aktueller Bundesligastars ebenso wie das Video zum WM-Sieg 2014 Begeisterung auslösten, rundete den Besuch in Dortmund ab.
In Bonn empfang die Nationale Anti-Doping Agentur die Gruppe zu einem fünfstündigen Workshop, bei dem sich nach einem Willkommen durch den Vorsitzenden Dr. Lars Mortsiefer alle Arbeitsbereiche der NADA – Prävention, Medizin, Recht, Kontrollen – vorstellten. Eindrücklich schilderten die NADA-MitarbeiterInnen ihre umfangreichen Tätigkeiten und erläuterten ehrlich die Schwierigkeiten global einheitliche Tests und Sanktionen durchzusetzen.
Anschließend besuchte die Gruppe das Haus der Geschichte, bevor sie sich auf den Weg zum Hardtberg machten, wo sie Sportmanager Daniel Seffern und Sportdirektor Savo Milovic sie auf eine unterhaltsame Tour durch den Telekom Dome einluden. Fasziniert hörten sich die Studierenden die Ausführungen zur Jugend- und Talentförderung, internationalen Scouting und Rekrutieren für die Basketball Bundesligamannschaft an, welche sich deutlich vom amerikanischen System unterscheiden.
Der letzte Stop der zweiwöchigen Reise war Frankfurt. Als erstes ging es zur Deutschen Olympischen Akademie, die sich gegenüber dem Waldstadion, dem heutigen Deutsche Bank Park, einem weiteren EM-Austragungsort, befindet. Direktor Dr. Gerald Fritz, Henning Kunkel und Maike Weitzmann stellten die verschiedenen Bildungsprogramme der DOA vor. Zudem erläuterten sie die verschiedenen erfolgreichen sowie gescheiterten Olympiaanträge deutscher Städte. Anschließend ging es zur Fan Zone ans Mainufer; abends fand ein vorgezogenens Abschiedsessen statt. Am nächsten Vormittag besuchten die Gruppe zunächst das Jüdische Museum im ehemaligen Palais der Familie Rothschild. Der Nachmittag stand den Studierenden frei, denn der Abend war ganz dem Eröffnungsspiel Deutschland gegen Schottland gewidmet. Die erste Hälfte sah man sich in der Fan Zone, dicht gedrängt und umgeben von Fans aus ganz Europa, an. Public viewing, wie es in Deutschland bei der WM 2006 eingeführt wurde, gibt es so gar nicht in den USA. Für die zweite Halbzeit jedoch verlagerte sich die Gruppe – vom Regen klamm –ins nahegelegene Hotel.
Das Fazit der Johns Hopkins Studierenden: ExpertInnen und PartnerInnen stellten sich durchweg als außerordentlich entgegenkommend, kompetent, offen, und gastfreundlich heraus. Sämtliche Gespräche waren aufschluss- und informationsreich und Fragen immer willkommen gewesen. Sogar knifflige Themen konnten offen diskutiert werden konnten. Entgegen der allgemeinen Stimmungslage in Deutschland diesen Sommer, waren die Studierenden besonders vom öffentlichen Verkehrsnetz und den öffentlichen Verkehrsmitteln generell absolut begeistert – trotz unvermeidlicher Verspätungen. Ausgestattet mit Deutschlandtickets hatten sie jeden Aufenthaltsort ausgiebig erkundet, sich schnell zurechtgefunden und wohl gefühlt. Die Rheinufer in Köln und Bonn, die Fußgängerzonen und Einkaufsstraßen sowie die große Auswahl an Restaurants und Essmöglichkeiten in deutschen Innenstädten hinterließen ebenfalls Eindruck – ganz zu schweigen von den exzellent Frühstücksbuffets. Die Variationen an Brot, Müsli, Obst, Aufschnitt und Joghurt schien mit jedem Hotel nur besser zu werden. Nach zwei erlebnisreichen und intensiven Wochen ging es dann am 15. Juni zurück zum Frankfurter Flughafen, von wo sie sich die elf Teilnehmenden in alle Himmelsrichtungen verteilten.
Dr. Victoria Harms
Die Studienreise „Sports – A Force for Good? The Rhine Ruhr Valley as a Case Study” wurde durch eine Förderung des Deutschen Akademischen Austauschdienst mit Geldern des Auswärtigen Amtes sowie der Office of the Dean for Undergraduate Studies und der Global Education Office an der Johns Hopkins University finanziert.