Dokumentarfilm beleuchtet das Leben und die Werke Ulrike Arnolds
Aus dem Englischen von Svea Conrad
„Meteoritenstaub“, sagt Arnold. „Ich liebe diese Art von Leinwand, sie ist wie die Haut der Erde“.
Arnolds etwa 10 Hektar Land ist eines von vielen „magischen Orten“, die gleichzeitig als ihr Atelier dienen. Unter einer kleinen Überdachung stehen Schalen und Tische, gefüllt mit ihren Malmaterialien, die sie alle aus der Erde gräbt oder schabt: Schiefer, Schlacke, Kalkstein, Salz.
Die deutsche Künstlerin, deren Leben und Werk im Mittelpunkt des neuen Dokumentarfilms „Dialogue Earth“ steht, verbringt mehrere Monate im Jahr an einigen der entlegensten Orte der Welt, an denen sie dann ihre Leinwand ausbreitet, sich in der Landschaft niederlässt, nach ihren Materialien sucht und zu malen beginnt – manchmal drei Wochen am Stück und wenn sie kann, zeltet sie vor Ort; und das schon seit etwa 40 Jahren. Obwohl sie die postindustrielle Stadt Düsseldorf ihr Zuhause nennt, kehrt Arnold regelmäßig in die Gegend um Flagstaff, Arizona, zurück, um dort zu leben und zu arbeiten. Sie wählt die Orte, an denen sie malt, intuitiv, aber auch mit Absicht aus.
„Ich möchte die Essenz eines Ortes einfangen“
„Ich gehe mit meinem Gefühl an einen Ort, der unberührt oder nicht zerstört ist. Irgendwo, wo es keinen Abbau und keine Störung gibt, um diese Schönheit zu zeigen und einzufangen – das ist mein Ziel“, sagte sie. Arnold malt fast ausschließlich vor Ort und verwendet die Materialien, die sie direkt umgeben. In Bisbee, Arizona, sind das unter anderem Kupfer, Malachit und Azurit, in Flagstaff rosa Sandstein und rote Vulkanasche. Es kommen nur die Materialien in Frage, die in der Natur vorkommen.
„Ich möchte die Essenz eines Ortes einfangen“, sagt sie. Arnold bezeichnet ihre Praxis als „zurück zu unseren Wurzeln“, d. h. sie bezieht sich auf uralte Ausdrucksformen wie die Höhlenmalereien in Lascaux, Frankreich, die sie als 21-Jährige zu Tränen rührten und ihren Wunsch weckten, wieder zur Uni zu gehen (an der Kunstakademie Düsseldorf) und Kunst zu studieren. Während die (Kunst-)Welt sich immer mehr der Technologie zuwendet, verweist Arnold auf die immer weiter von uns schwindende Vergangenheit – Eine Vergangenheit, die Jahrtausende von heute entfernt ist – und verwendet Materialien, die Tausende von Jahren gebraucht haben, um zu entstehen. Die einzige Chemikalie in ihrem Malprozess ist das klare Acryl Fixativ, das sie als Bindemittel für die Farben verwendet.
„Dialogue Earth“ erzählt die Geschichte von Arnolds Leben und Schaffen
Der Regisseur Hank Levine („Abandonados“, „City of God“) zeigt im Film „Dialogue Earth“ Arnolds Leben und künstlerisches Schaffen im Kontext der gegenwärtigen Klima- und politischen Situation. Der Film präsentiert fesselnde Aufnahmen: Arnold an der Grenze zwischen den USA und Mexiko oder in der Wildnis des südlichen Utah. Er beleuchtet auch ihre Erziehung unter der strengen Obhut ihres priesterlichen Vaters und ihre ständige Suche nach spirituellen Erfahrungen. Dabei erkundet der Film das Universum, die geologischen Formationen und führt uns an viele Orte, die zu Arnolds Inspirationsquellen geworden sind – selten menschlich, immer erdverbunden.
Ein zentraler Bestandteil des Films ist Flagstaff und seine Bewohner: Die verstorbene Helen Running, Arnolds „liebste Freundin“ seit sie Arnold 1989 vom Pulliam Airport in Flagstaff abgeholt hat. Auch Geologen und Meteorologen bekommen jeweils ihren Moment. „Dialogue Earth“ zeigt die Menschen, denen Arnold auf ihren künstlerischen Abenteuern begegnet, eine bunte Truppe, die sich über den Film verteilt und durch die sprudelnde und leidenschaftliche Arnold verbunden ist. Ihre Augen, wenn sie nicht in den weiten Himmel schweifen, sind stets auf den Boden gerichtet, immer auf der Suche nach mehr Material, mehr Farbe.
„Ich gehe oft barfuß, um die Erde zu spüren“, sagt sie und springt begeistert auf, um es zu demonstrieren – ihr Outfit, selbst eine Leinwand, weiß und bestäubt mit dem Staub und Schmutz, den sie gerade verwendet hat. „Wir gehen darüber, wir berühren die Erde, aber oft sehen wir nicht, wie schön sie ist, wie viele Farben man überquert, ohne es zu bemerken.“ Oft ermuntert sie ihr Publikum in der Broken Arrow Cave in Utah dazu. Die ausgehöhlte Felswand, die sich auf dem Grundstück des Amangiri Resorts in Page, Arizona, befindet, ist ein Ort, den sie oft besucht. Das exklusive Hotel besitzt auch mehrere ihrer Gemälde.
Arnold erlaubt es den Menschen auch, ihre Gemälde zu berühren, wenn sie danach fragen. Dennis Hopper erscheint in der Dokumentation und streicht mit der Hand über ein von ihm gekauftes Werk, während er uns Arnolds Arbeitsprozess erklärt. Einer der fesselndsten Momente des Films ist jedoch, als Kinder einer Blindenschule in Santiago de Chile ihre Hände über ihre Gemälde streichen. Manche riechen daran. Andere lecken die salzige und schwefelige Oberfläche, deren Bestandteile aus der nahe gelegenen Atacama-Wüste stammen.
Mit dem Kosmos malen
Arnold ist purer Ausdruck. Viele Worte werden durch eine Geste oder einen Klang ersetzt: ein Pusten oder Pfeifen, um Lebendigkeit oder Aufregung zu zeigen, ein lautes Zischen, wenn sie zeigt, wie sie den Pinsel über ein bestimmtes Werk geführt hat. Szenen im Film zeigen sie auf dem Sand liegend, dort, wo sie arbeitet. Das prasselnde Geräusch von Regen, der auf ein Gemälde fiel, veranschaulicht sie, indem sie laut auf den Tisch klopft. Der Regen, wie auch der Wind und die Ratten, die an den Rändern eines Gemäldes knabbern, sind für Arnold Kunst, an der Wetter und Tierwelt zusammenarbeiten. „Ich sage immer, es ist ein Dialog mit der Erde; in dem Moment, in dem ich male, nutze ich die Erde, ich setze die Farbe ein und es ist ein Dialog zwischen mir, der Farbe, den Tieren und dem Wetter.“
Ulrike Arnold wollte schon lange mit dem Kosmos malen und begann dies im Jahr 2003 durch eine zufällige Begegnung mit Marvin Killgore. Killgore, den Arnold „den Cowboy“ nannte, reist um die Welt und sammelt Meteoriten, schneidet sie auf und bewahrt die Späne auf. Auch er spielt eine bedeutende Rolle im Film. Arnold verglich den Moment, als sie Killgore traf, mit einem Märchen der Brüder Grimm. In der Geschichte geht ein armes Mädchen in den Wald, Sterne fallen in ihren Schoß und werden dort zu Goldmünzen.
„In diesem Moment fühlte ich mich wie in ‚Sterntaler‘, das ist so eine wunderschöne Kindergeschichte. Es ist auch ein Symbol für Glück, das Glück kam über mich und fiel auf mich herab. Dann begann ich hier in Flagstaff mit den ersten Meteoriten-Gemälden zu experimentieren. Der Meteorit ist für mich ein Zeichen des Kosmos“, sagte Arnold.
„Unsere Erde ist verwundbar“
An diesem Punkt lenkt Levin den Fokus der Dokumentation auf Fragen des Spirituellen, sei es in Form von Gott, wie Ulrikes Vater es in seinen Predigten beschreibt, oder Wissenschaft, wie Astronomen des Lowell Observatoriums über Leben im Weltraum sprechen, oder etwas, das mit Magie, Spiritualität und anderem Unerklärlichen verbunden ist.
Hier führt die Dokumentation auch das Politische ein – etwas, dass nach Arnold nicht unbedingt ein Bestandteil ihrer Gemälde sei. Dennoch lenkt Levin uns behutsam in diese Richtung, mit Szenen an der Grenze und Diskussionen über den Klimawandel und Donald Trump, die im Jahr 2019 untrennbar mit Diskussionen über die Erde verbunden sind.
„In dem Film wird deutlich, dass unsere Erde verwundbar ist, daher könnte man sagen, dass ich eine Aktivistin bin. Nein, eigentlich bin ich es nicht, aber durch das, was ich tue, entsteht Bewusstsein dafür, dass wir diese Erde schützen müssen. Jeder muss seinen Beitrag leisten, und ich tue es auf meine Weise. Vielleicht durch eine Art Aufmerksamkeitserregung“, sagte Arnold.
Mehr Informationen über Ulrike Arnold und ihre Arbeit unter www.ulrikearnold.com