sliderimage-Die Zeitzeugen-Gespräche wurden in Graphic Recordings festgehalten – sowohl für die Zeitzeugen als auch für die Schülerinnen und Schüler eine bleibende Erinnerung an den Austausch.
Die Zeitzeugen-Gespräche wurden in Graphic Recordings festgehalten – sowohl für die Zeitzeugen als auch für die Schülerinnen und Schüler eine bleibende Erinnerung an den Austausch.

Jerry Lindenstraus hat den Holocaust überlebt. Nach der Pogromnacht floh er als Kind mit seiner Familie aus dem nationalsozialistischen Deutschland, sein Weg führte ihn von Ostpreußen über Shanghai bis nach Bogota – später nach New York. Im Rahmen des „Never Forget-Projekts“ teilt der heute 94-Jährige seine Erinnerungen nun mit Jugendlichen aus Nordrhein-Westfalen. Das transnationale Kooperationsprojekt von dem Essener Verein Zweitzeugen e.V. und dem Museum of Jewish Heritage in New York City, unterstützt durch den Geschichtsort Villa ten Hompel in Münster, will junge Menschen stark machen gegen Antisemitismus und das internationale Geschichtsbewusstsein schärfen. Gefördert wird das Projekt vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

In einigen Jahren wird es keine Zeitzeuginnen und Zeitzeugen des Holocaust mehr geben. Umso wichtiger ist es, dass ihre Geschichten weitergetragen werden. Genau hier setzt das das Projekt „Never Forget: Transnationale Zweitzeugen-Bildungsdialoge gegen Antisemitismus“ an: Es bringt Jugendliche mit Holocaust-Überlebenden ins Gespräch und macht sie zu ihren Zweitzeugen – zu zweiten Zeugen ihrer Erlebnisse. So können sie die Erinnerungen weitergeben.

Die persönlichen Erinnerungen der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen machen Geschichte für junge Menschen greifbar: Die Holocaust-Überlebenden erzählen sowohl von ihrem Alltag vor 1933, dem Schrecken des Nationalsozialismus und der Verfolgung als auch von ihrem Umgang mit ihren Erlebnissen nach Ende des Krieges und heute.

In der Pilotphase des Projekts konnten Schülerinnen und Schüler aus Nordrhein-Westfalen die Holocaust-Überlebenden Jerry Lindenstraus und Lisa Baer in einer Video-Konferenz treffen. Beide wurden während der NS-Zeit in Deutschland als Juden verfolgt und leben heute in den USA. Ihre Geschichten stehen beispielhaft für die Ausgrenzung, Verfolgung und Entrechtung jüdischer Menschen – und für die daraus resultierenden Fluchtbewegungen.

Ministerin Ina Brandes: „Die Erfahrung und die Eindrücke einer persönlichen Begegnung mit Überlebenden der Shoa sind unersetzlich. Ich bin sehr dankbar, dass Lisa Baer und Jerry Lindenstraus ihre persönliche Geschichte und das große Leid, das sie erfahren haben, mit Schülerinnen und Schülern aus Nordrhein-Westfalen geteilt haben. Wir sollten jede Möglichkeit nutzen, junge Menschen mit Zeitzeugen ins Gespräch zu bringen. Das Grauen der Shoa darf niemals in Vergessenheit geraten.“

Ministerin Brandes hatte bei ihrer New-York-Reise im April 2023 den Austausch mit Vertretern des Museum of Jewish Heritage angestoßen. Nach der erfolgreichen Pilot- und Konzeptionsphase wird das „Never Forget“-Projekt nun ausgerollt und vertieft, im Rahmen der NRW-USA-Kooperation werden neue Ansätze für eine junge Zielgruppe erprobt. Ein Teil davon wird ein länderübergreifender Online-Austausch über die Geschichten der Holocaust-Überlebenden sein – mit den Themenschwerpunkten Flucht und Exil.

sliderimage-Die Zeitzeugen-Gespräche wurden in Graphic Recordings festgehalten – sowohl für die Zeitzeugen als auch für die Schülerinnen und Schüler eine bleibende Erinnerung an den Austausch.
Die Zeitzeugen-Gespräche wurden in Graphic Recordings festgehalten – sowohl für die Zeitzeugen als auch für die Schülerinnen und Schüler eine bleibende Erinnerung an den Austausch.

Biografien von Zeitzeugen des Holocaust sind häufig international geprägt. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und den ersten antijüdischen Gesetzen und Boykotten begannen Jüdinnen und Juden Wege zu suchen, um sich der Diskriminierung und Verfolgung im Deutschen Reich zu entziehen. Einige versuchten, auszureisen – vor allem in die USA. Für die Jüdinnen und Juden, die nicht fliehen konnten, bedeutete das Zurückbleiben in Europa, dass sie der systematischen Verfolgung und Ermordung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt waren.

Im Projekt wird NS-Verfolgung nun aus transnationaler Perspektive betrachtet: Daher werden neben Schülerinnen und Schülern aus Nordrhein-Westfalen auch Jugendgruppen aus den USA teilnehmen. Viele Schulen und außerschulische Akteure haben bereits Interesse an einer Teilnahme bekundet.

Die Jugendlichen aus Nordrhein-Westfalen werden mit den Holocaust-Überlebenden Lisa Baer und Jerry Lindenstraus mit Wohnsitz in den USA sprechen, die Jugendlichen aus den USA mit der Holocaust-Überlebenden Eva Weyl aus Deutschland sowie einem weiteren Zeitzeugen. Sie werden zu Zweitzeugen und entwickeln im Anschluss eigene Ideen und Formate, um die (Über-)Lebensgeschichten der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in Form von „Zweitzeugnissen“ weiterzugeben – zum Beispiel als Podcast, Social-Media-Beitrag oder in Videos.

Im Anschluss kommen die Schülerinnen und Schüler beider Länder online zu einem Austausch zusammen. Sie stellen sich gegenseitig die Geschichten der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen vor und reflektieren gemeinsam über die Folgen von Antisemitismus, den Wert heutiger Demokratien und die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft. Ihre Projektergebnisse werden die Jugendlichen im Herbst in einer hybriden Abschlussveranstaltung präsentieren.

Zweitzeugen-Mitgründerin Ruth-Anne Damm unterstreicht die Wichtigkeit dieses neuen Projektansatzes: „Ich freue mich so sehr, dass wir diese besondere Kooperation mit dem Museum of Jewish Heritage weiterführen und intensivieren können. Dies bereichert unsere Arbeit enorm! Wann hat man schon mal die Chance, als junger Mensch mit Jugendlichen aus einem anderen Land über ein so wichtiges Thema in den Austausch zu treten? Gemeinsam konkret in Geschichte einzutauchen und zu Zweitzeuginnen und Zweitzeugen werden, im Austausch die unterschiedlichen aber auch parallelen Perspektiven zu erkennen, diese zu diskutieren. Dank des Mutes und Einsatzes der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen stellen wir fest, wie viel uns verbindet und wie wichtig unser steter Einsatz für die Demokratie ist.”

Das „Never Forget“- Projekt ist nachhaltig angelegt: Die durch die Jugendlichen erstellten „Zweitzeugnisse“ und die gesammelten Erkenntnisse sollen in die Breite getragen werden und Fachkräfte der historisch-politischen Bildungsarbeit in ihrer Arbeit unterstützen. Im Rahmen des Projekts werden hierzu im Herbst/Winter 2024 Veranstaltungen für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren angeboten.

Mehr Infos zu Zweitzeugen e.V. gibt es unter www.zweitzeugen.de und zum Museum of Jewish heritage unter www.mjhnyc.org

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